Weinregion Península de Setúbal

Die DOC Palmela glänzt mit einer Vielzahl überzeugender Qualitäten während die DOC Setúbal für ihre Likörweine weltberühmt ist

Nur einige Kilometer südlich von Lissabon entfernt erstreckt sich die Weinbaugebiet-Region Península de Setúbal, die mittlerweile nicht nur in ganz Portugal ein hohes Ansehen als Weinbaugebiet genießt. Die geografische Nähe zur Hauptstadt ist für die Winzer natürlich ideal, denn sie verkaufen nicht nur einen guten Teil ihrer Weine direkt vom Probierraum heraus, sie kommen auch mit einer Vielzahl alter und neuer Weinkunden in persönlichen Kontakt. Nicht weniger praktisch ist es für die Hauptstädter, die sozusagen direkt vor der Tür eine riesige Einkaufsmeile mit einer großen Auswahl bemerkenswerter, teils international berühmter, mitunter sogar legendärer Weine vorfinden.

INFORMATION ZUR REGION

TERRAS DO SADO

Lage: Die beiden DOC-Gebiete liegen auf der Halbinsel Setúbal zwischen den Mündungen der Flüsse Sado und Tejo, gegenüber der Hauptstadt Lissabon. Die Landwein-Appellation erstreckt sich darüber hinaus in Richtung Süden auf das Hinterland beidseits des Sado und aufden Küstenstreifen westlich davon. Wichtige Städte sind u.a. Setúbal und Palmela.
Rebfläche: ca. 10 000 ha.
Appellationen: DOC Palmela, DOC Setúbal (nur für weißen und — selten — roten Likörwein). Die Landwein-Appellation heißt Vinho Regional Terras do Sado.
Wichtigste Rebsorten: weiß: Arinto (Pedernã), Fernão Pires (Maria Gomes), Moscatel Galego Branco (Moscatel de Bago Miúdo), Moscatel de Setúbal (Moscatel Graúdo), Moscatel Roxo, Rabo de Ovelha, Síria (Roupeiro), Tamarez und Vital; rot: Castelão (Periquita), Alfrocheiro, Bastardo, Cabernet Sauvignon und Trincadeira.
Besonderheiten: Rotweine der DOC Palmela müssen mindestens 67% der Sorte Castelão enthalten. Die Likörweine der DOC Setúbal müssen mindestens 67% der Sorte Moscatel de Setúbal (weiß) bzw. Moscatel Roxo (rot) enthalten, wobei im Allgemeinen die besten Qualitäten jeweils sortenrein sind.


VOR DEN TOREN DER HAUPTSTADT
Sicher hat der Durst der Lissabonner mit dazu beigetragen, dass der Weinbau in der Region vor allem in den letzten Jahren auf breiter Front ein erstaunliches Niveau erreicht hat. Zwar war die Costa Azul, der Küstenstreifen der Halbinsel, mit ihren teils atemberaubenden Landschaften schon lange ein beliebtes Naherholungsgebiet, ein Surferparadies und Eldorado für Golfer. So richtig Schwung erhielt die Gegend aber erst durch die Eröffnung der neuen, spektakulären Vasco-da-Gama-Brücke über den Tejo. Durch den Bau dieses kilometerlangen Prestigeobjekts, das verkehrstechnisch mit den besten Autobahnen mithalten kann, hat sich ein Teil der Hauptstadt auf die Halbinsel ausgebreitet und dort auch für eine weitere Belebung des Weinbaus gesorgt. Setzten bis dahin die beiden großen, alteingesessenen Weingüter der Region, José Maria da Fonseca und Bacalhôa-Vinhos de Portugal (bis vor ein paar Jahren noch unter dem Namen J.P. Vinhos bekannt), Maßstäbe bei der Entwicklung der Weinstile in allen Preisklassen und galten unumstritten als die Qualitätsvorreiter, haben sich nun einige kleinere, teils noch junge Betriebe etablieren können, die mit ihren Weinen für einen weiteren Aufschwung sorgen. Dabei wird die eben-falls wichtige Schiene der Alltagsweine keineswegs vernachlässigt.

DIE REBSORTENVIELFALT DES VINHO REGIONAL TERRAS DO SADO
Weißweinsorten: Alvarinho, Antão Vaz, Arinto (Pedernã), Bical, Boal Branco, Chardonnay, Diagalves, Donzelinho Branco, Encruzado, Fernão Pires (Maria Gomes), Galego Dourado, Ge-würztraminer, Gouveio, Jacquere, Loureiro, Malvasia Fina, Malvasia Rei, Manteúdo, Moscatel Galego Branco, Moscatel de Setúbal (Moscatel Graúdo), Pinot Branco, Rabigato, Rabo de Ovelha, Ratinho, Riesling, Sauvignon Blanc, Semillon, Sercial, Síria (Roupeiro), Tália, Trincadeira das Pratas, Viognier, Viosinho und Vital. Rotweinsorten: Alfrocheiro, Alicante Bouschet, Aragonez (Tinta Roriz), Bastardo, Bonvedro, Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon, Carignan, Castelão (Periquita), Cinsaut, Grand Noir, Grenache, Jaen, Merlot, Moreto, Moscatel Roxo, Pinot Tinto (Pinot Noir), Rufete, Syrah, Tannat, Teinturier, Tinta Barroca, Tinta Francisca, Tinta Miúda, Tinto Cão, Tinto Pegões, Touriga Franca, Touriga Nacional, Trincadeira und Zinfandel.


Reiche Geschichte
Die beachtliche Aufwärtsentwicklung, die die Region gerade auf dem Weinsektor erlebt, steht auf einem soliden Fundament. Die Península de Setúbal mit ihren heißen, trockenen Sommern und milden, regnerischen Wintern war schon immer ein lebendiges Handelszentrum und galt Mitte des 19. Jahrhunderts mit 4000 ha als das größte zusammenhängende Weinbaugebiet Portugals. 1907 wurde die Region als Qualitäts-Weinbaugebiet definiert und ist heute als Vinho Regional, VR, klassifiziert. Zudem war die Halbinsel bekannt für ihre riesigen Olivenhaine, für ihr Salz, das man vor allem für die Konservierung von Fisch benutzte, und den köstlichen Ziegenkäse aus der Gegend um Azeitão. Diese fast schon pittoresk anmutende Stadt gilt als Hochburg der Weinkultur der Península de Setúbal, mit großer Bedeutung für den heutigen Status der Halbinsel als landesweit geschätzte Weinregion.

GROSSE AUSWAHL AN WEINEN
Mittlerweile stehen hier immerhin 10 000 ha Rebfläche in Ertrag, aus denen jährlich 300 000 bis 400 000 hl Wein gewonnen werden. Das sind umgerechnet bis zu 53 Millionen Flaschen Wein, eine stolze Zahl, die jedes Jahr direkt von den Winzern, Weinhandlungen oder Restaurants an durstige Touristen und Weingenießer aus aller Herren Länder verkauft werden. Nun bieten auch die anderen Regionen Portugals sowohl ansprechende Trinkweine für den Alltag als auch Festtagsweine und edle Tropfen von internationalem Ruf. Worin also liegt das Geheimnis der Halbinsel-Winzer? Es ist sicher nicht zuletzt die Bandbreite der angebotenen Weine, die das Gebiet so verlockend macht. Durch die große Anzahl verschiedener Rebsorten weisen die Weine der Península de Setúbal sehr unterschiedliche Eigenschaften auf. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass die Weißweine sehr aromatisch sind und zum Teil durch betörend intensive Blumenaromen bestechen, während sich die Roséweine frisch und fruchtig präsentieren. Die Roten sind meist sehr gut strukturiert und verfügen über ein weiches Tanningerüst und Aromen von Waldfrüchten und Gewürzen.

Ein einzigartiger Likörwein
Eine ganz besondere Spezialität ist außerdem der edle Likörwein aus der DOC Setúbal, der Moscatel, der als einer der ältesten Weine der Welt gilt. Bereits in Dokumenten aus dem 17. Jahrhundert wird über den Export von Moscatel de Setúbal in Holzfässern berichtet. Ein guter Teil davon landete in Paris und Versailles, schließlich war der französische König Ludwig XIV. einer der größten Abnehmer dieser Spezialität. Es ist also im Prinzip für jeden Geschmack etwas dabei, egal ob man nun Weine aus den beiden Gebieten mit kontrollierter Herkunftsbezeichnung Herkunftsbezeichnung, DOC Palmela und DOC Setúbal, bevorzugt oder eher die Weine mit der Bezeichnung Vinho Regional Terras do Sado genießt.

UNTERSCHIEDLICHE BÖDEN
Die Region gliedert sich hinsichtlich ihrer Bodenbeschaffenheiten im Wesentlichen in zwei Zonen. Die eine zeigt ein hügeliges Landschaftsbild; die Weinberge befinden sich auf ton- und kalkhaltigen Böden auf Höhen zwischen 100 und 500 m und werden von den Hängen der Serra da Arrábida vor dem nahen Atlantischen Ozean geschützt. Die andere Zone, die etwa 80 % der gesamten Region umfasst, erstreckt sich über flache Landschaften, die bestenfalls leichte Hügel aufweisen, kaum mehr als 150 m hoch. Hier sind die Böden größtenteils sandig und mager.

CASTELÃO, DIE ROTE HAUPTSORTE
Diese eher kargen Gegebenheiten bieten ideale Bedingungen für die dominierende Rotweinsorte Castelão. Sie ist zwar überall in Portugal anzutreffen, entfaltet sich jedoch am besten im Süden des Landes, speziell in der Region Palmela. Trotz ihrer nationalen Verbreitung werden allerdings die meisten Portugiesen nur den Kopf schütteln, wenn man sie nach dem Bekanntheitsgrad dieser Rebsorte fragt. Geläufig war sie im Lauf der Zeit unter anderem auch als João de Santarém oder Castelão Francês.

Alias Periquita
Überwiegend bekannt aber ist diese Traube unter dem Namen Periquita — nach dem Namen des Weinguts Cova da Periquita, wo José Maria da Fonseca in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erstmals auf der Halbinsel diese Sorte anbaute. Zwar lässt sich nicht mehr rekonstruieren, warm der erste Jahrgang abgefüllt wurde, aber aus den Firmenunterlagen geht noch hervor, dass es 1850 den ersten Periquita gab. Wie erfolgreich dieser Wein war, bewies 1888 der Gewinn einer Goldmedaille auf der Berliner Weinmesse für den 1886er Jahrgang — letztlich der Startschuss für die internationale Karriere dieses Weins und seiner Rebsorte. Seit jener Zeit stieg die Produktion des Periquita von rund 50 000 Flaschen jährlich auf über drei Millionen, von denen rund drei Viertel ins Ausland gehen. Als amüsante Randnotiz der Periquita-Geschichte heißt es, dass José Maria da Fonseca damals das Etikett in Paris drucken ließ, die Flaschen in England und Frankreich einkaufte und einen Spanier unter Vertrag nahm, der für diesen Wein die besten Korken auswählen sollte. Periquita ist also längst auf den internationalen Märkten etabliert. Um aber möglichen Irritationen durch die verschiedenen Namensgebungen der Traube vorzubeugen, trägt sie heute die offizielle Bezeichnung Castelão. Aber wie bei so vielem, was sich in der Umgangssprache und im Gedächtnis der Weinfreunde einmal eingebürgert hat, werden sicher auch hier noch Jahre vergehen, bis sich der Name nicht nur bei den Portugiesen nachhaltig eingeprägt hat. Der Beliebtheit der Sorte schadet es jedenfalls nicht, egal wie man sie nennt.

Der Star der DOC Palmela
Castelão ist zweifellos die tonangebende Sorte auf der ganzen Halbinsel. Sie beansprucht rund drei Viertel der gesamten 10 000 ha Rebfläche. Das liegt nicht nur daran, dass ihr Anteil in den Weinen der DOC Palmela mindestens 67% betragen muss. Diese Traube ist wie geschaffen für die sandigen Böden, die hohen Temperaturen und die Wasserknappheit in den heißen, trockenen Sommern. Hier läuft sie zur Bestform auf. Bei geringen Produktionsmengen erbringt sie hoch konzentrierte und harmonische Weine mit feinen Aromen von Waldfrüchten und Gräsern und einem sehr guten Alterungspotenzial.

Sortenreine Weine
Im Grunde kann man sogar behaupten, dass Castelão immer eine gute bis sehr gute Figur abgibt, egal welchen Stil die einzelnen Weinmacher bevorzugen. Die Bandbreite ist wirklich beeindruckend. Da gibt es eher einfache, aber ehrliche sortenreine Alltagsweine wie etwa von der Adega Cooperativa de Palmela, wo man den Wein bevorzugt in größeren älteren Holzfässern zu unkomplizierten, schnell zugänglichen und zartfruchtigen Tropfen reifen lässt. Am oberen Ende der Qualitäts- (und Preis-) Skala liegt der ebenfalls rebsortenreine Leo d'Honor DOC Palmela Grande Escolha von Casa Ermelinda Freitas, dessen perfekt ausgereifte Trauben mit Füßen gestampft werden und der ein Jahr lang in französischen Barriques liegt. Das Resultat verführt mit einem herrlich tiefen, von Kräutern, roten Beeren und Vanille geprägten Bukett, reifer Frucht, würzigen Tanninen und eleganter wie beeindruckender Länge. Der Wein ist nach einem weiteren Jahr Reife in der Flasche bereits trinkfertig, hat aber noch ein gutes Lagerpotenzial. Ein gleichzeitig finessenreicher wie kraftvoller Wein, der sich auf jedem internationalen Wettbewerb mühelos mit weitaus bekannteren Stars aus Italien oder Frankreich messen kann. Auch zwischen diesen beiden Extremen gibt es reichlich interessante Tropfen zu entdecken, die beweisen, wie stark Castelão reinsortig ausgebaut zu überzeugen weiß. Da ist etwa der fruchtig-würzige J.P. Private Selection DOC Palmela von Bacalhôa. Nahezu schwarzrot präsentiert sich der Dona Ermelinda von Casa Ermelinda Freitas, der selbstbewusst den Namen seiner Winzerin trägt. Er stammt von 30 Jahre alten Weinreben und schmeckt nach reifen Beeren und würzigen Noten, eingerahmt von feinen Tanninen. Der Quinta da Mimosa DOC Palmela, ebenfalls von Casa Ermelinda Freitas, setzt blumige Akzente, die ausgezeichnet zu den Beeren- und Barriquenoten des Weins pas-sen. Eher ein weicher, samtiger Typ ist der Fontanário de Pegões der Cooperativa Agrícola Santo Isidro de Pegões, dessen feine Holznote gut mit den Aromen von Beeren harmoniert. Opulent zeigt sich der Aliança Particular DOC Palmela von Caves Aliança mit seinem vielfältigen Bukett nach Waldbeeren. Mehr nach Himbeeren dagegen duftet der zu einem Viertel in Barriques gereifte Tagra, ebenfalls aus dem Hause Caves Aliança — ein als Vinho Regional Terras do Sado klassifizierter Wein mit mittelschwerem Körper und harmonischem Geschmack. Der schön gereifte Garrafeira Co von Fonseca wiederum schmeckt nach Kirschen und Heidelbeeren.

Cuvées mit Castelão
Aber es gibt auch gute Gründe, Castelão als starken Cuvée-Partner im Zusammenspiel mit anderen Rebsorten einzusetzen. Dafür ist etwa der Regionalwein Vale de Judia von der Cooperativa Santo Isidro de Pegões mit insgesamt einem Zehntel Cabernet Sauvignon, Trincadeira und Alicante Bouschet ein gelungenes Zeugnis. Rote Beerenaromen, Schwarzkirsche und eine dichte Tanninstruktur sind die charakteristischen Kennzeichen dieses Weins. Cuvées sind inzwischen auch häufig in der 1998 zur DOC erhobenen Region Palmela üblich. Hier müssen die Rotweine mindestens 67 % Castelão enthalten. Für den übrigen Anteil sind Alfrocheiro, Bastardo, Cabernet Sauvignon und Trincadeira erlaubt.

Der neue Periquita
Interessanterweise macht gerade die Firma José Maria da Fonseca gern von der Möglichkeit Gebrauch, Castelão zu verschneiden, wenn auch mit anderen Sorten, als in der DOC erlaubt sind. Setzte der Gründer über ein Jahrhundert lang auf seinen sortenreinen Periquita, wurde der Stil in den 1960er-Jahren erstmals geändert. Je nach Jahrgang gab man damals 10 bis 15 % Trincadeira, Aragonez und Monvedro dazu, ehe in den nächsten drei Jahrzehnten wiederum nur Castelão im Periquita vorzufinden war. Seit dem Jahrgang 2001 nun steht für den Fonseca-Weinmacher und Vize-Präsidenten Domingos Soares Franco die endgültige Mischung fest. Der Periquita enthält nun 70 % Castelão, 20 % Trincadeira und 10 % Aragonez und wird aufgrund der Zusammenstellung als Vinho Regional eingestuft. Als einen Tribut an den geänderten Geschmack der modernen Weinwelt begründet der außergewöhnliche Weinmacher diesen Schritt, meint aber auch, dass der Periquita nach wie vor ein klassischer portugiesischer Wein sei. Doch die Vorlieben der Konsumenten wandeln sich eben. Mögen Puristen das als Stilbruch des Castelão-Pioniers der Halbinsel empfinden, der kommerzielle Erfolg mit über drei Millionen Flaschen weltweit spricht für sich. Zudem kommt bei Domingos Soares Franco Castelão in Reinform sehr wohl noch vor. Einer seiner ganz neu kreierten Weine von alten Castelão-Rebbergen zeigt enorme Fruchtfülle, viel Power und einen sehr lange anhaltenden Nachgeschmack.

STARKE VIELFALT IN ROT
Aber so dominant die Sorte Castelão auch in der Region Península de Setúbal den Rebsortenspiegel beherrscht, es gibt auch ein Weinmacher-Leben ohne sie — und was für eines! Schließlich ist vor allem für Vinho Regional Terras do Sado eine stattliche Anzahl weiterer Sorten für den Anbau erlaubt. Es sind zwar überwiegend einheimische rote Reben, die auf insgesamt rund 1000 ha stehen, aber die Winzer bemühen sich auch um internationale Sorten. Die Gefahr einer Übermacht von Cabernet Sauvignon, Merlot, Pinot Tinto (Pinot Noir), Syrah und Co. auf Kosten der einheimischen Trauben scheint jedoch nicht zu bestehen. Es geht den örtlichen Weinmachern vielmehr um noch größere Vielfalt, und die Qualität dieser Sorten steht außer Frage. Ein globalisierter »internationaler« Weingeschmack ist hier sicher nicht zu befürchten.

Verschnitte von internationalen und einheimischen Sorten
Vielmehr setzt ein Großteil der Betriebe auf das friedliche Nebeneinander der neuen Rebsor-tenvielfalt und zeigt, dass dabei die Charakteristik der Region nicht untergeht, sondern einfach einen neuen Ausdruck findet. So ist selbst beim neuen Meia Pipa von Bacalhôa aus je rund einem Drittel Cabernet Sauvignon, Syrah und Castelão ein landestypischer erdigkräuterwürziger Geruch und Ton klar auszumachen. Die Sorten harmonieren in diesem Wein einfach gut. Das Gleiche gilt für den Serras de Azeitão vom selben Erzeuger, der rund zu einer Hälfte Merlot und Syrah, zur anderen Hälfte Touriga Nacional und Aragonez aufweist und mit Noten von Kirschen und dunklen Beeren sowie fruchtig-würzigem Geschmack den Beweis antritt, dass solche Verbindungen sogar neue Zielgruppen ansprechen können. So auch beim FSF von Fonseca; dort reichen sich gut 50 % Syrah, ein gutes Drittel Trincadeira sowie Tannat die Hand zur geschmacklichen Versöhnung mit deutlicher portugiesischer Präsenz Ähnliches gilt für eines der berühmten Aushängeschilder Fonsecas, den Hexagon, der sechs Rebsorten hervorragend vereint: Touriga Nacional, Touriga Franca, Trincadeira, Tinto Cão, Syrah und Tannat. Die Trauben werden mit den Füßen gestampft, und die einzelnen Weine reifen teils in Fässern, teils in Tanks. Dass es bei diesen Cuvées nicht nur um ein Schielen auf ausländische Märkte geht, unterstreicht der Erfolg des Reserva Amote der Quinta de Catralvos/Agrícola Casal do Tojo aus Aragonez, Touriga Nacional, Cabernet Sauvignon und Syrah. Dieser nach Cassis und Beeren duftende Wein mit feinen Kräuternoten ist landesweit ein enormer Erfolg, nicht nur zum Valentinstag, wie sein Name und das Blumenetikett vermuten lassen könnten.

Viele Möglichkeiten
Doch sind diese Kombinationen zumindest derzeit noch in der Minderheit, auch wenn sie bereits national wie international gute bis glänzende Bewertungen und Akzeptanz erfahren. Wenn schon Cuvées oder Rebsortenweine ohne Castelão, dann setzen die Winzer eher auf heimische Sorten. Ausnahmen sind etwa die reinsortigen Weine Má Partilha Merlot und Só Syrah, beide von Bacalhôa, von denen Letzterer den Nachweis erbringt, dass auch diese Rebe hier eine gute Daseinsberechtigung hat. Bei der Quinta de Catralvos gibt man der Syrah noch einen größeren Anteil Aragonez bei, und auch dieser Wein mit dem Namen Marquês do Lavadrio Reserva überzeugt. Bemerkenswert als Randnotiz ist übrigens, dass der elegante, eher französisch angehauchte Palácio de Bacalhôa aus Cabernet Sauvignon, Merlot und Petit Verdot, sozusagen der Reserva des Hauses, nur nach Brasilien exportiert wird. Dass einheimische Rebsortenweine auch ohne Castelão durchaus eine gute Figur machen können, stellt die Casa Ermelinda Freitas mit ihrem Touriga Nacional unter Beweis. Er bietet alles, was man vom ihm erwartet, nämlich ein blumiges Bukett mit feinen Fruchtnoten, wobei Beeren den Ton angeben, sowie eine schöne Präsenz im Mund wie im Finale. Im Zusammenspiel von Touriga Nacional mit den Sorten Touriga Franca und Tinto Cão lassen sich, wie im Falle des Primum von Fonseca, dunkle Beeren mit einem Hauch von Eukalyptus entdecken. Generell lässt sich sagen, dass die Region Península de Setúbal eine überraschende Vielfalt an Rotweinen bietet, von einschmeichelnden Tropfen bis hin zu wirklich großen Gewächsen, die internationale Vergleiche auf hohem Niveau nicht im Geringsten zu scheuen brauchen.

ENTDECKUNG IM NATURRESERVAT
Welch großes Potenzial in der Region steckt, lässt sich überzeugend bei den beiden neuen Weinen von Herdade da Comporta erahnen. Dieses noch sehr junge Weingut mit einem Storch auf seinen Etiketten hat Millionensummen investiert in sein für Besucher offenes Weincenter und seine Weinberge von bisher 3o ha, die 2004 die erste Ernte brachten. Der sehr ansprechende Weißwein aus Arinto und Antão Vaz präsentiert sich mit Zitrusaromen, tropischen Früchten und einer angenehmen frischen Säure, spielt mit nur 3 ha Anbaufläche für diese Reben jedoch eine Nebenrolle. In eine ganz andere Richtung zeigt die komplexe, fruchtige und kraftvoll-elegante rote Cuvée aus den Sorten Aragonez, Trincadeira, Alicante Bouschet und Touriga Franca. Sie hat zwar unverkennbar eine internationale Stilistik, aber ebenso einen deutlich portugiesischen Rebsorten-geschmack. Ein Wein, der Portugal-Neulinge sehr gut auf die typischen Rebsorten des Landes vorbereitet. Der Sitz des Betriebs liegt landschaftlich wunder-schön in unmittelbarer Nähe des Dorfes Comporta am Anfang der Halbinsel Troia, zwischen der Mündung des Flusses Sado und dem Meer mit seinem herrlichen Strand, der eine wunderbare Sicht auf die Küste von Setúbal und den Naturpark Serra da Arrábida bietet. Der direkt angrenzende Naturpark Reserva Natural do Estuário do Sado wurde übrigens bekannt durch seine Delfine, die im Delta des Sado häufig anzutreffen sind, sowie durch eine unglaubliche Anzahl von Störchen, die hier und in den Reisfeldern der Umgebung nach Nahrung suchen. Dazu gibt es im Reservat noch etwa 100 geschützte Vogelarten. Das alles und die Weine der Region Península de Setúbal sind allemal einen Besuch wert, und sei es nur als Wochenendabstecher von Lissabon-Reisenden, die per Fähre oder Auto in weniger als einer Stunde direkt vor Ort sind.


FRUCHTIGE ROSÉWEINE
Verwunderlich ist dabei, dass gerade in diesem Gebiet mit seinen heißen Sommern, schönen Stränden und den Kurzurlaubern aus Lissabon nur wenige Rosés angeboten werden. Nennenswerte Mengen ansprechender Qualität produzieren nur Bacalhôa, dessen J.P. Azeitão Rosé mit viel Aragonez und Trincadeira dezente Beerennoten aufweist, und die Quinta de Catralvos, die einen beerenfruchtig-leckeren, unkomplizierten, aber animierenden Lisa Rosé aus Castelão mit etwas Cabernet Sauvignon und Syrah nicht nur für Strandläufer bereithält.

SPRITZIGE WEISSE
Dagegen ist die Auswahl bei den Weißweinen um vieles größer, selbst wenn weiße Trauben in dem Gebiet nur eine nette Nebenrolle darstellen, vom Likörwein Moscatel de Setúbal natürlich abgesehen. Hervorzuheben bei den weißen Rebsorten sind besonders Fernão Pires, mit einem Anteil von rund 9 % mengenmäßig die stärkste Sorte, Arinto sowie Moscatel, der auch in trockenen Weißweinen anzutreffen ist, häufig in Kombination mit Fernão Pires oder der Säure beisteuernden Arinto. So führt etwa Fonseca in seinem Albis rund 80 % Moscatel mit Arinto zusammen und erzielt so einen blumigen, intensiven Wein mit üppigen Fruchtaromen und animierender Säure. Ähnlich viel Moscatel, dieses Mal aber mit Fernão Pires, bringt Bacalhôa in seinem Einstiegswein J.P. Azeitão Branco zusammen, der mit blumigen und fruchtigen Noten und wenig Säure aufwartet. In einem anderen Verhältnis verschneidet die Cooperativa Agrícola Santo Isidro de Pegões, nämlich 20 % Moscatel mit 10% Arinto und 70% Fernão Pires. Das Ergebnis ist ein an tropische Früchte und etwas Gewürze erinnernder Wein mit lebendiger, gut integrierter Säure. Doch die Sorte Moscatel de Setúbal kann auch ohne Cuvée-Partner gefallen, speziell bei der Cooperativa Agrícola Santo Isidro de Pegões, deren feinfruchtiger Wein sich frisch und ausgewogen präsentiert, wegen der sehr dezenten Säure aber am besten möglichst kühl getrunken wird. Bei Casa Ermelinda Freitas setzt man die Akzente etwas anders und füllt unter dem Etikett Terras do Pó Branco einen reinsortigen Fernão Pires ab, der sich herrlich leicht und spritzig zeigt und mit einem feinen Spiel von Zitrus- und tropischen Früchten überzeugt. Aber auch bei den Weißweinen kann man Cu-vées mit nationalen und internationalen Sorten entdecken, wie den Adega de Pegões Selected Harvest mit je einem Drittel Chardonnay, Pinot Blanc und Arinto oder den Catarina von Bacalhôa aus 68 % Fernão Pires und 32 % Chardonnay, die jeweils einen gut zum Essen passenden Barriqueton aufweisen.

WELTBERÜHMTE LIKÖRWEINE
Die eigentliche Weintradition, die den guten Ruf der Halbinsel Setúbal begründet hat, basiert auf der hohen Qualität des Moscatel, eines Dessertweins aus vollfruchtigen Muskattrauben. Weltberühmt ist der weiße Likörwein Moscatel de Setúbal, in kleinen Mengen wird aber auch eine rote Variante namens Moscatel Roxo erzeugt. Moscatel aus Setúbal ist damit der dritte in der Gruppe der großen Süßweine Portugals. Wie Portwein und Madeira ist er ein Vinho Generoso, aufgespritet mit hochprozentigem Branntwein, um die Gärung zu unterbrechen. Moscatel de Setúbal besteht normalerweise aus 85 bis 100 % Muskateller, aber die Gesetzgebung für die DOC erlaubt auch Weine mit knapp 70 % Muskat, denen Sorten wie Arinto, Boais, Rabo de Ovelha, Roupeiro oder Tamarez beigemischt werden dürfen.

Ein großer Klassiker
Der bernsteinfarbene Moscatel de Setúbal gilt als der große Klassiker der Region und ist berühmt für sein intensives, vielschichtiges Fruchtaroma mit Noten von Honig und gerösteten Nüssen. Überhaupt ist der Moscatel de Setúbal einer der ältesten Qualitätsweine, der schon vor Jahrhunderten in der ganzen Welt geschätzt war. Dokumente aus dem 17. Jahrhundert belegen den Export von zahllosen Fässern des edlen Stoffs in verschiedene europäische Länder. Einer der größten Liebhaber dieser Weine war der Sonnenkönig Ludwig XIV., in dessen Palästen der Moscatel in Strömen floss. Nicht zuletzt durch die Beliebtheit an den europäischen Höfen genoss dieser Wein auch später einen exzellenten Ruf in aller Welt. Er wurde bis nach Amerika verschifft, um das Jahr 1860 herum sogar in drei Kontinente exportiert.

Namensschutz
Wie bei allen hochwertigen Likörweinen gibt es immer Nachahmer, und um den Moscatel zu schützen, wurde bereits 1907 die Region für die Produktion der Spezialität abgegrenzt. Nur wer in den Gemeinden Palmela, Setúbal, Montijo und in Teilbereichen um die Gemeinde Sesimbra über entsprechende Rebflächen verfügt, darf seinen Wein unter den Bezeichnungen Moscatel de Setúbal beziehungsweise Moscatel Roxo anbieten.

Herstellung
Dabei ist das Produktionsverfahren vergleichbar mit dem anderer Dessertweine. Die vollreifen Trauben werden nach der Lese kurz vergoren, bis rund 90 g Restzucker erreicht sind. Dann wird die Gärung durch Zugabe von hochprozentigem Alkohol gestoppt. Anschließend ruht die naturbelassene süße, meist rund 19 Vol.-% Alkohol starke Maische mehrere Monate, teilweise auch bis zu einem Jahr, damit sich die Aromen und Extraktstoffe aus der Beerenhaut lösen können. Erst dann wird gepresst und gefiltert. Bevor aber der gehaltvolle süße Wein in Flaschen gefüllt wird, reift er in der Regel drei bis vier Jahre in großen Eichen- oder Mahagoniholzfässern.

Schon jung ein Genuss
Diese Weine weisen nach der Fasslagerung ein sehr intensives Aroma nach Blumen und Orangen auf und präsentieren sich vollmundig mit einem zarten Honigton und Anklängen von Nüssen. Sie sind sofort mit viel Genuss trinkreif, haben aber im Allgemeinen auch ein Alterungspotenzial von sechs bis zwölf Jahren nach der Abfüllung. Zu den Betrieben, die mit relativ jungen Likörweinen überzeugen, zählen die beiden bekanntesten Weingüter der Península de Setúbal, Bacalhôa und José Maria da Fonseca, die beide auch ein reichhaltiges Sortiment dieser Spezialitäten anbieten. Über den größten Bestand unterschiedlichster Varianten und Jahrgänge verfügt dabei das Haus Fonseca, das schon seit 1834 in der Weinhochburg Azeitão Moscatel-Weine produziert.

Wahre Schätze im Alter
Sind schon junge Moscatels wie ein süßes Geicht, an das man sich gern erinnert, zeigen sich die wahren Schätze mit zunehmendem Alter. Nach rund acht bis zehn Jahren kommen im Allgemeinen noch Noten von Trockenfrüchten, Feigen, exotischen Früchten, Kaffee und Karamell zum Aromenstrauß hinzu. Auf diese mittelalten Moscatels sind neben Bacalhôa und José Maria da Fonseca auch Venâncio da Costa Lima, die Adega Cooperativa de Palmela und Sivipa-Sociedade Vinícola de Palmela sowie die Cooperativa Agrícola Santo Isidro de Pegões spezialisiert. Letztere attestiert ihrem Moscatel sogar eine Lagerfähigkeit von 50 Jahren. Manche Erzeuger wie Fonseca lagern darüber hinaus kleinere Mengen weiterhin in Fässern. Dort reduzieren sich die Weine nach 20 Jahren zu einem dickflüssigen dunklen Nektar, der an die Karamellaromatik einer flüssigen Crème Brülée erinnert und mit einem verführerischen Bukett von Blumen, Orangenschalen, Nüssen und einem Hauch Tabak aufwarten kann. Manchmal hat man auch das Glück, Raritäten wie den Trilogia Millenium zu erhalten, der von Fonseca aus den überragenden Jahrgängen 1900, 1934 und 1965 verschnitten wurde.

Moscatel Roxo
Außerdem wird in Setúbal die rote Sorte Moscatel Roxo angebaut, wenn auch in sehr geringen Mengen. Aus ihr entstehen ebenfalls Likörweine mit prinzipiell ähnlichen Eigenschaften wie der Moscatel de Setúbal. Im Geschmack weisen sie eine komplexe Aromapalette von Bitterorange, Feigen, Rosinen und Haselnüssen auf. Ein gelungenes Beispiel dafür bietet Sivipa-Sociedade Vinícola de Palmela, deren Roxo außerdem herrlich nach Rosen duftet. Allerdings gibt es davon in der Regel nicht mehr als 6000 Liter pro Jahr. Welche geschmacklichen Höhen mit einem länger gereiften Roxo erzielt werden können, zeigt ein neun Jahre in kleinen Fässern gelagerter Moscatel Roxo von Bacalhôa, der ebenfalls verführerisch nach Rosen duftet, kombiniert mit dem Geruch von Orangenblüten und Honig. Auch bei dieser Sorte zeigt sich, dass in besonders guten Jahren und bei sehr langer Reifezeit ein Wein von ungeheurer Aromenfülle produziert werden kann. Der 20 Jahre alte Moscatel Roxo von José Maria da Fonseca duftet zusätzlich noch nach Dörrpflaumen, Kokos und exotischen Gewürzen wie Koriander und Ingwer. Am Gaumen dominieren Orangen- und Zitrustöne, die in ein Finale übergehen, das man noch minutenlang nachschmecken kann. Durch veränderte Trinkgewohnheiten hat sich zwar die Anbaufläche auf 330 ha reduziert, aber wer vor allem ein Glas alten Moscatel einmal genossen hat, wird der Sorte treu bleiben, zumindest gelegentlich, denn verdient hat sie es.

 

Quelle: "Portugal und seine Weine" - Gräfe und Unzer Verlag GmbH / ViniPortugal