Weinregion Algarve
Algarve
Noch gegen Ende des letzten Jahrtausends hätte es wohl nicht mehr viele Wetten auf eine positive Zukunft der Algarve als Weinregion gegeben. So kann man sich täuschen. Aber es war tatsächlich nach der Entwicklung der letzten Jahrzehnte kaum abzusehen, dass der Rebanbau hier wirklich noch eine Chance haben würde. Schließlich mussten seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts die meisten Weinberge erst neu angelegten Plantagen, vor allem für Zitrusfrüchte, und später Hotelkomplexen und Golfplätzen weichen.
INFORMATIONEN ZUR REGION
ALGARVE
Lage: Ein breiter Streifen entlang der Südküste, von der südwestlichsten Ecke Portugals bis zur spanischen Grenze. Wichtige Städte sind u. a. Faro, Albufeira und Vila Real de Santo António.
Rebfläche: ca. 2200 ha.
Appellationen: DOC Lagos, DOC Portimão, DOC Lagoa und DOC Tavira. Die Landwein-Appellation heißt Vinho Regional Algarve (auch für Likörwein).
Wichtigste Rebsorten: weiß: Arinto, Síria (Roupeiro), Malvasia Fina und Rabo de Ovelha; rot: Castelão, Negra Mole, Trincadeira und Syrah. Besonderheiten: In dieser Region scheint die Sonne im Durchschnitt über 3000 Stunden pro Jahr.
URLAUBSPARADIES CONTRA WEINREGION
Mit dem Aufschwung der Region als Urlaubsparadies für Touristen aus aller Welt und durch den Bau einer Schnellstraße von Lissabon an die Strände der Algarve drohte den übrig gebliebenen Rebflächen das endgültige Aus. Nun konnten die Weine aus dem äußersten Süden des Landes ohnehin nur eine wenige Jahrhunderte alte Tradition aufweisen, da diese Region am längsten unter arabischer Herrschaft gestanden hatte, und als der Inbegriff höchster Winzerkunst galten sie auch nicht gerade. Aber es gab doch immerhin viele Abnehmer, vor allem Gastronomen und Urlauber, die den Betrieben einigermaßen ein Auskommen sicherten. Nach und nach aber wurde die Verlockung des schnellen Geldes für viele Betriebe einfach zu groß, und sie verkauften ihre Rebflächen an Hotelbetreiber und Immobilienfirmen, die ihrerseits dank der boomenden Urlaubsregion gut verdienten. Nun wäre es nicht das erste Mal in der Geschichte des Weins gewesen, dass aufgrund anderweitigen Bedarfs eine Weinregion allmählich verschwindet. Doch gegen Ende des 20. Jahrhunderts kam es zu einer unerwarteten Wendung, beinahe könnte man sogar von einem Gegentrend sprechen. Mit Unterstützung der Weinbaukommission der Algarve wurden rund 25 % der verbliebenen Rebflächen umstrukturiert und sogar einige neue Weinberge angelegt, so dass in der Region derzeit insgesamt etwa 2200 ha bewirtschaftet werden. Die momentane Jahresproduktion von ungefähr 30 000 hl entspricht zwar lediglich einem Anteil von weniger als einem halben Prozent der portugiesischen Weinerzeugung, aber die Gefahr, dass die Algarve sich aus dem Kreis der weinproduzierenden Regionen endgültig verabschieden könnte, ist erst einmal vom Tisch. Wesentlich zu dieser Entwicklung beigetragen hat der britische Sänger Sir Cliff Richard, der sich bereits zu Beginn seiner Karriere vor über vier Jahrzehnten häufiger an der Algarve zu Kurzurlauben aufhielt und später auch ein Grundstück in der Nähe von Guia, ein paar Kilometer nordwestlich von Albufeira, erwarb. Von seinem weinbaulichen Engagement ab dem Jahr 1997, als er seine ersten Reben pflanzte, ließen sich auch andere Winzer anstecken und rekultivierten Weinberge oder legten neue an.
NEUANFANG MIT HINDERNISSEN
Doch der Weg begann dornenreich. Zu Beginn seiner »zweiten Karriere« als Weingutsbesitzer erntete Sir Cliff zuerst einmal Häme. Vor allem britische Journalisten überhäuften ihn nicht gerade mit enthusiastischen Lobeshymnen. Zwar wurde sein Wein über eine englische Handelskette fast vollständig verkauft, und nach deren Angaben hätte man mühelos das Hundertfache der angebotenen 27000 Flaschen absetzen können, aber Teile der Presse ließen an dem neuen Engagement des renommierten Künstlers kein gutes Haar. Das mag nicht zuletzt daran gelegen haben, dass sich Sir Cliff ausgerechnet die Algarve ausgesucht hatte — und Portugals Urlaubsparadies galt in Fachkreisen nicht eben als das El Dorado für gute Weine. Doch die mangelnden Vorschusslorbeeren ließen den britischen Popstar und seine Crew unbeeindruckt, schließlich stand dem Team mit David Baverstock ein anerkannter Fachmann und intimer Kenner der portugiesischen wie internationalen Weinszene zur Seite. So war es letztlich nur eine Frage der Zeit, bis Cliff Richard auch mit seinem Wein Anerkennung fand. Vida Nova, Neues Leben, heißt seine Weinlinie, ein passender Name für die Wiedergeburt und das neue Image der Region.
Einheimische Pioniere
Aber es ist nicht nur Cliff Richard und seinen Partnern mit ihrer Adega do Cantor zu verdanken, dass sich die Algarve allmählich als kleine aber feine und durchaus ernst zu nehmende Region etabliert. So zählt auch die zur DOC Portimão gehörende Quinta do Morgado da Torre in Sítio da Penina, nahe der Stadt Figueira, zu den Produzenten, die das Image des Gebietes zum Positiven wenden konnten. Zwar gehen die Ursprünge dieser Quinta bereits auf das Jahr 1865 zurück, aber erst 1995 wurden neue Weinberge angelegt und der erste eigene Wein 1999 produziert. Nicht vergessen sollte man auch die Adega Cooperativa de Lagoa. Die Genossenschaft ist sozusagen als quantitativer Platzhirsch bislang für rund 85 % der Jahresproduktion des gesamten Gebiets verantwortlich.
CLIFF RICHARD — EIN LOBLIED AUF DEN WEIN
Ausgerechnet ein Brite, und noch dazu ein Quereinsteiger, steht für die Erneuerung der Weinkultur an der Algarve. Cliff Richard, der in seiner über 40-jährigen Karriere als Popsänger 14 Nummer-eins-Hits landete, rund 250 Millionen Schallplatten verkaufte und als erster Popstar zum Ritter geschlagen wurde, hatte schon seit Jahrzehnten ein Faible für die Region. Nachdem Richard schließlich die Quinta do Moinho erworben hatte, entschloss er sich vor rund zehn Jahren, auch Reben dort anzupflanzen. Er ließ 8 ha mit Shiraz, Aragonez, Trincadeira und Mourvèdre bestocken und verpflichtete als Berater den gebürtigen Australier David Baverstock, der zu den renommiertesten Weinmachern Portugals zählt. Zusammen mit einigen engagierten Partnern, die selbst über ein paar Hektar Weinberge verfügten, gründete Richard die Adega do Cantor, die »Kellerei des Sängers«. Die flüssigen Resultate dieser Zusammenarbeit werden unter dem Namen Vida Nova, Neues Leben, angeboten. Eine treffende Formulierung, denn nicht zuletzt mit dem Engagement von Sir Cliff, der selbst ab und an in den Weinbergen mitarbeitet, seinen Partnern Nigel und Lesley Birch, Max und Michelle Birch sowie David Baverstock als beratendem Önologen gelang es, die Algarve als Weinbauregion national wie international wieder populär zu machen.
DIE WEINSTILE DER REGION
Generell sind die Rotweine der Algarve eher samtige Gewächse mit reifen Fruchtnoten, während die Weißweine sich vorwiegend fruchtig, mit blumigen Akzenten präsentieren. Das gilt vor allem für die Weine der Adega Cooperativa de Lagoa. Hier werden vor allem rote und weiße Cuvées aus zumeist heimischen Sorten ab-gefüllt, die sich bereits jung sehr zugänglich zeigen. Auch auf den reinsortigen Syrah, der hier produziert wird, trifft dies zu. Daneben erzeugt die Genossenschaft noch je einen trockenen und halbtrockenen Rosé, einen süßen roten Likörwein namens Algardoce und einen trockenen weißen Likörwein mit dem Namen Algarseco. Die Mehrzahl der Weine wird als Vinho Regional Algarve vermarktet, da in dieser Appellation die Zahl der zugelassenen Rebsorten weitaus höher ist als bei den vier DOCs. Denn neben den dort erlaubten roten Hauptsorten Castelão, Negra Mole und Trincadeira haben sich an der Algarve gerade auch Aragonez, Touriga Nacional, Cabernet Sauvignon und vor allem Syrah als besonders tauglich erwiesen. Auch bei den Weißweinen zeigte sich, dass speziell die Sorte Verdelho das sehr heiße und trockene Klima bestens verträgt. Das beweisen besonders die Weine von der Adega do Cantor, die ihren neuen Weißwein Vida Nova aus der Verdelho-Traube keltert und demnächst auch einen kleinen Teil Viognier zugeben wird. Die eleganten, fruchtbetonten Rotweine wiederum werden aus Syrah, Aragonez und Touriga Nacional kombiniert. Vor allem der kraftvolle Reserva im eleganten Stil aus 80 % Syrah und 20 % Aragonez demonstriert, welches Potenzial in den Weinen von der Algarve stecken kann: ein komplexer, nach dunklen Früchten, Gewürzen und gut integrierten Holznoten wie Leder und Kakao duftender Wein mit guter Tanninstruktur und schöner Länge. Nachdem nun die meisten Rebflächen der Adega do Cantor Ertrag bringen und auch die Kellerei komplett fertiggestellt ist, soll sich die Jahresproduktion von derzeit etwa 110 000 auf 200 000 Flaschen erhöhen. Bei der einige Kilometer entferneten Quinta do Morgado da Torre wiederum, die 1999 ihren ersten Wein unter dem Markennamen Alvor abfüllte, verwendet man mit Erfolg Cabernet Sauvignon und Syrah als Cuvée-Partner der heimischen Sorten. Eine Besonderheit sind übrigens die Rosés der beiden Erzeuger, die entweder zu 100 % aus Syrah oder wie bei Cliff Richard aus Aragonez und Syrah gekeltert werden. Beide Weine eignen sich mit ihren schönen Beerenaromen nicht nur als Strandbegleiter für Touristen. Zum Schluss noch einige Tipps: Beide sehenswerten Weingüter empfangen auch gerne Besucher, auf der Adega do Cantor soll in nächster Zeit sogar ein Restaurant entstehen. Wer besonders großen Durst hat, kann sich bei Morgado da Torre mit einem überraschend leckeren Rotwein in der 5- oder 10-Liter-Bag-in-Box eindecken, der kurze Zeit in großen Amphoren gelagert wurde. In dem neu gestalteten Weinladen von Torre gibt es übrigens nicht nur günstige Weine zu kaufen, sondern auch kulinarische Spezialitäten aus der Region, etwa ein ausgezeichneter Feigenschnaps, eine köstliche Art von Orangenmarmelade namens Doce de Laranja oder der nicht weniger feine Kürbisaufstrich Abóbora com Amêndoa. Die beiden Letzteren werden von der Quinta do Freixo in kleinen Mengen produziert.
KÖSTLICHES SALZ VON DER ALGARVE
In dem Algarve-Ort Tavira verdient Rui Simeäo sein Geld im Schlaf, könnte man meinen. Denn an sich muss der sympathische Chef der Firma Rui Neves Dias nur darauf warten, dass die Sonne kräftig scheint. Denn Rui Simeäo lebt vom Meersalz, das wie vor 2000 Jahren in kleinen, traditionellen Salzgärten allein durch natürliche Verdunstung gewonnen wird. Ganz so einfach geht es natürlich nicht. Wie es die Richtlinien des Bio-Verbands Nature & Progrés vorsehen, wird das Salz aufwendig von Hand geerntet und vollkommen naturbelassen verpackt. Aber im Prinzip sind nur Sonne, Wind und Meer sowie sorgfältige Handarbeit nötig, um diesen kulinarischen Schatz zu bergen. Auch ohne teure Technik und die sonst üblichen Verfahren wie Waschen, Hochtemperaturtrocknen und ohne Zusatz von Aufhellern und Rieselmitteln entsteht so ein Meersalz von reinem Weiß, dessen Qualität man nicht nur in zahlreichen Analyse-Ergebnissen nachgewiesen bekommt, sondern vor allem auch schmecken kann. Zwei Sorten gelangen in den Handel, das etwa vierzehntägig geerntete »Sal tradicional« und das Spitzenprodukt »Flor de Sal«, das wie sein französisches Pendant »Fleurs de Sel« täglich abgeschöpft werden muss. Flor de Sal, Salzblüte, heißen die zarten Kristalle, die sich bei Windstille auf der Oberfläche der je ein paar Quadratmeter großen Sole absetzen wie der Rahm auf der Milch. Schon wenige Stunden nach ihrer Entstehung wird diese erste Salzschicht von gut geschulten Mitarbeitern mit speziellen Sieben abgeschöpft und an der Sonne getrocknet. Das ist eine heikle Angelegenheit, denn wenn man nur ein bisschen zu tief schöpft, wird Sand vom Boden aufgewirbelt und macht aus dem strahlend weißen Meersalz einen hellbraunen Hügel, der nur noch an die Futtermittelindustrie verkauft werden kann. Warum die feine Textur und der ausbalancierte Geschmack dieses edelsten aller Meersalze von Feinschmeckern und Spitzenköchen auf der ganzen Welt so geschätzt wird, lässt sich bei einem Versuch leicht selbst feststellen: Flor de Sal schmeckt lange nicht so salzig, dafür viel feiner und intensiver als normales Speisesalz. Eine deutliche Sprache sprechen auch die vielen Prämierungen, die das Flor de Sal erhalten hat, nicht zuletzt auf der BioFach in Nürnberg, der weltgrößten Messe für Naturprodukte.
Quelle: "Portugal und seine Weine" - Gräfe und Unzer Verlag GmbH